Annalise-Wagner-Preis 2009

Hartmut Brun, Vizepräsident der Fritz Reuter Gesellschaft e.V. 


Laudatio auf Dr. Arnold Hückstädt, Annalise-Wagner-Preisträger 2009

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Dr. Kittler,
sehr geehrter Herr Dr. Wieland,
liebe Gitti, lieber Arnold,

als mich vor Pfingsten die Nachricht erreichte, dass Du den diesjährigen Annalise-Wagner-Preis verliehen bekommst, habe ich mich ganz doll gefreut. Noch mehr, als man mir die Laudatio antrug. Ich weiß um die große Ehre, eine solche heute und hier im Neubrandenburger Albert-Einstein-Gymnasium halten zu dürfen.

Zwar hatte ich zu der Zeit den Kopp voll mit der Veranstaltung zur Verleihung des Johannes-Gillhoff-Literaturpreises in Glaisin bei Ludwigslust, dem Preis, der inzwischen internationale Dimensionen angenommen hat und den Du schon 1991 in Hamburg für Dein Gesamtwerk verliehen bekommen hast. Dein Gesamtwerk; schon damals war es kaum überschaubar. Sich einen Überblick über Deine Primärliteratur zu verschaffen, bereitet Arbeit - Arbeit, dass man vor Freude jauchzen könnte:

Arnold Hückstädt schrieb für Zeitungen, wie dem Norddeutschen Leuchtturm und dem Nordkurier, für Periodika wie kikut, Neubrandenburger Mosaik, den Heimatheften des Landesheimatverbandes und den giftgrünen Heften der Landsmannschaft Mecklenburg, dem Voß un Haas-Kalender, den Beiträgen der Fritz Reuter und den Jahrbüchern der Johannes Gillhoff Gesellschaft, auch für die Fontane-Blätter und das Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Seine Bücher erschienen bei Hinstorff, im Konrad-Reich- und Ingo-Koch-Verlag Rostock sowie in Stavenhagen.

Er schrieb Beiträge über Mecklenburg im Jahre 1848, über 750 Jahre Altentreptow, über die Geschichte des Sports in Stavenhagen und über das Kreiskrankenhaus Malchin.

Er schrieb über Persönlichkeiten wie Johann Heinrich Voß, Wilhelm Henschel, Heinrich Bandlow und Wilhelm Zierow, Karl Horn, Ludwig Reinhard, Ernst und Franz Boll, über John Brinckman und Rudolf Tarnow, über Reuter-Illustratoren von Pietsch über Schloepke bis zu Werner Schinko und immer wieder über Fritz Reuter.
Allein diese unvollständige Aufzählung der Veröffentlichungen von Arnold Hückstädt verrät die Bandbreite seines bisherigen Schaffens.

Arnold Hückstädt bin ich das erste Mal in meiner Schülerzeit begegnet. Karl Scharnweber, von uns liebevoll „de oll Festungskommandant“ genannt, unternahm mit seinen jungen Historikern eine Reise von der Reuterstadt Dömitz in die Reuterstadt Stavenhagen. Wir erlebten im Museum eine Führung durch Arnold Hückstädt. - So muss man Führungen machen, war mein bleibender Eindruck.

Die zweite Begegnung, hat mit Rudolf Tarnow zu tun. Seit den 70-er Jahren des vorigen Jahrhunderts erschien im Norddeutschen Leuchtturm, der Beilage der Norddeutschen Zeitung, die Artikelreihe „Literarische Merk-Würdigkeiten“. 1979 hatte ich einen kleinen Beitrag über Rudolf Tarnow geschrieben, musste dabei aber feststellen, dass es über Tarnow kaum etwas in der Sekundärliteratur von Mecklenburg und Vorpommern gab. So meldete ich mich im Stadtarchiv Schwerin an mit der Bitte, die Tarnow-Akte einzusehen, sofern es eine solche gibt. Es gab eine. Ich fuhr hin, bekam eine umfangreiche Foto- und Dokumenten-Sammlung vorgelegt und begann zu lesen. Kurt Harland, der stellvertretende Archivdirektor, sagte mir, dass genau eine Woche vorher Dr. Arnold Hückstädt aus Stavenhagen auch diese Unterlagen eingesehen habe. Da dachte ich mir, gegen Hückstädten kommst du nicht gegenan. Da hab die Akte wieder zugemacht und mich fortan mit Johannes Gillhoff beschäftigt.

So ist es unabgesprochen zu einer Arbeitsteilung gekommen: Arnold Hückstädt veröffentlichte die erste Werkauswahl Tarnows und ich die von Gillhoff in der DDR.

Arnold Hückstädt wurde am 27. Januar 1935 in Köstin im heutigen Landkreis Uecker-Randow geboren. Er besuchte die Schule in Glasow und bestand 1953 das Abitur in Torgelow. Eigentlich wollte er Lehrer werden, studierte dann aber an der Universität Greifswald Germanistik und Nordistik. Welch ein Glück für uns, denn nach dem Studium mit Diplomabschluss kam Arnold Hückstädt 1958 nach Stavenhagen und wurde am 1. Oktober wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Reuter-Gedenkstätte im Rathaus. Er, 1959 zum Direktor ernannt, baute die Gedenkstätte zum Fritz-Reuter-Literaturmuseum aus. Das Museum erlangte bald nationale Bedeutung und strahlte als Forschungsstätte über den deutschen Sprachraum hinaus.

Arnold Hückstädt tat aber mehr. Auf seine und Jürgen Borcherts Initiative hin wurde 1989 in Güstrow der Arbeitskreis Fritz Reuter im Kulturbund gegründet, der sich 1990 in Fritz Reuter Gesellschaft Stavenhagen umbenannte. Auf dem Treffen am 24. August 1990 auf der Festung Dömitz aus Anlass des 150. Jahrestages von Reuters Haftentlassung, wurde der Beschluss gefasst, dass die Mitglieder der Reuter Gesellschaft Stavenhagen der 1960 in Lübeck gegründeten Reuter Gesellschaft beitreten. Seit dieser Zeit gibt es eine Fritz Reuter Gesellschaft. Arnold Hückstädt wurde in den wissenschaftlichen Beirat berufen. Durch Rat und Tat unterstützt er seitdem die Arbeit der größten niederdeutschen Literaturgesellschaft und brillierte jedes Mal bei seinen Vorträgen durch Inhalt, Aussage und Rhetorik.

1976 promovierte Arnold Hückstädt an der Universität Rostock mit einer Dissertation zur Reuter-Rezeption. Zum Buch überarbeitet und erweitert, erschien diese Arbeit 1983 unter dem Titel „Fritz Reuter im Urteil der Literaturkritik seiner Zeit“ als Nr. 16 in der verdienstvollen Hinstorffschen Bökerie.

Für seine Verdienste um die Reuter-Forschung wurde Arnold Hückstädt 1986 der Titel eines Museumsrates verliehen und er wurde zweimal in Neubrandenburg mit dem Fritz-Reuter-Preis, 1960 und 1974, beides waren Reuter-Jahre, ausgezeichnet. Den Fritz-Reuter-Literaturpreis der Stadt Stavenhagen und des Fritz-Reuter-Literaturmuseum erhielt er im Jahre 2004.

Genau 33 Jahre, bis zum 1. Oktober 1991, lenkte und leitete Arnold Hückstädt mit Geschick und Fachwissen das Fritz-Reuter-Literaturmuseum, trug eine beachtliche Ausstellung und Bibliothek zusammen und verfasste mehr denn 100 Bücher und Aufsätze über den niederdeutschen Klassiker. In Cornelia Nenz hat er eine würdige Nachfolgerin gefunden, die sein Werk als Museumsleiterin fortsetzt, die Ausstellung modernisierte, wobei das Grundkonzept von Arnold Hückstädt aus dem Jahre 1974 beibehalten wurde.  

Mit Fug und Recht kann man sagen, Arnold Hückstädt ist heute der Welt beste Reuter-Forscher und -Kenner.
Nun konnte er sein krönendes Lebenswerk nach mehr als 25-jähriger Arbeit zum Abschluss bringen: Die Fritz Reuter Briefe, zusammengetragen, kommentiert und für die Fritz Reuter Gesellschaft Neubrandenburg und das Fritz-Reuter-Literaturmuseum Stavenhagen herausgegeben.

Der erste Band erschien rechtzeitig im Frühjahr zur diesjährigen Jahrestagung der Fritz Reuter Gesellschaft, natürlich im Rostocker Traditionshaus Hinstorff, denn schließlich ist Reuter einst mit Hinstorff und Hinstorff mit Reuter groß geworden. Der zweite Band kommt noch im Herbst des Jahres heraus und der dritte Band wird im Reuter-Jahr 2010 erscheinen, wenn die Fritz Reuter Gesellschaft ihre Jahrestagung in Stavenhagen abhält.

Die drei Bände mit insgesamt etwa 2 500 Druckseiten beinhalten alle bis heute bekannten Reuter Briefe, die Arnold Hückstädt in öffentlichen und privaten Sammlungen ausfindig machen konnte.  

Die Edition ist aber mehr als nur eine chronologische Aneinanderreihung von Briefen Fritz Reuters über den Zeitraum von 1827 bis 1874. Mit der ihm eigenen Akribie hat Arnold Hückstädt die Autografen kommentiert und so eine Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts geschaffen, die ihresgleichen nicht findet.

Deshalb ist es so verwunderlich nicht, dass für die heutige Preisvergabe die besondere wissenschaftliche, methodische und sprachästhetische Qualität des umfangreichen Kommentars ausschlaggebend war. Gerade diese Kommentierung „vermittelt sachlich, präzise und kenntnisreich die notwendigen Informationen für das Verständnis und die Einordnung der Reuter-Briefe als historische Quelle und öffnet ganz subtil die Augen dafür, wie sich in Reuters Briefen, in seinen Werken und seiner Lebensgeschichte die Brüche und Widersprüche seiner Zeit spiegeln. Dem Leser erschließt sich so ganz unmittelbar ein farbiges, facettenreiches, lebendiges Bild des Menschen Fritz Reuter, seines sozialen Umfeldes, der politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen seines Lebens und seiner literarischen Leistungen“, wie es in der Begründung der Jury heißt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als ich den ersten Band von Reuters Briefen in Händen hielt, habe ich mich sofort darin festgelesen. Ich weiß, dass es mir nicht allein so ging. Nun warte ich voller Ungeduld und mit mir viele Menschen in- und außerhalb Mecklenburgs auf die Herausgabe der noch fehlenden Bände.

Lieber Arnold, Du hast für die Reuter-Forschung ein Jahrhundert-Werk geschaffen. Dafür möchte ich Dir, lieber Freund, im Namen der vielen, vielen Reuter-Freunde im In- und Ausland von Herzen Dank sagen.


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