Meine
sehr geehrten Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Dr. Kittler,
sehr geehrter Herr Dr. Wieland,
liebe Gitti, lieber Arnold,
als mich vor Pfingsten die Nachricht erreichte, dass Du
den diesjährigen Annalise-Wagner-Preis verliehen
bekommst, habe ich mich ganz doll gefreut. Noch mehr, als
man mir die Laudatio antrug. Ich weiß um die große Ehre,
eine solche heute und hier im Neubrandenburger
Albert-Einstein-Gymnasium halten zu dürfen.
Zwar hatte ich zu der Zeit den Kopp voll mit der
Veranstaltung zur Verleihung des
Johannes-Gillhoff-Literaturpreises in Glaisin bei
Ludwigslust, dem Preis, der inzwischen internationale
Dimensionen angenommen hat und den Du schon 1991 in
Hamburg für Dein Gesamtwerk verliehen bekommen hast. Dein
Gesamtwerk; schon damals war es kaum überschaubar. Sich
einen Überblick über Deine Primärliteratur zu
verschaffen, bereitet Arbeit - Arbeit, dass man vor Freude
jauchzen könnte:
Arnold Hückstädt schrieb für Zeitungen, wie dem
Norddeutschen Leuchtturm und dem Nordkurier, für
Periodika wie kikut, Neubrandenburger Mosaik, den
Heimatheften des Landesheimatverbandes und den giftgrünen
Heften der Landsmannschaft Mecklenburg, dem Voß un
Haas-Kalender, den Beiträgen der Fritz Reuter und den
Jahrbüchern der Johannes Gillhoff Gesellschaft, auch für
die Fontane-Blätter und das Börsenblatt für den
deutschen Buchhandel. Seine Bücher erschienen bei
Hinstorff, im Konrad-Reich- und Ingo-Koch-Verlag Rostock
sowie in Stavenhagen.
Er
schrieb Beiträge über Mecklenburg im Jahre 1848, über
750 Jahre Altentreptow, über die Geschichte des Sports in
Stavenhagen und über das Kreiskrankenhaus Malchin.
Er
schrieb über Persönlichkeiten wie Johann Heinrich Voß,
Wilhelm Henschel, Heinrich Bandlow und Wilhelm Zierow,
Karl Horn, Ludwig Reinhard, Ernst und Franz Boll, über
John Brinckman und Rudolf Tarnow, über
Reuter-Illustratoren von Pietsch über Schloepke bis zu
Werner Schinko und immer wieder über Fritz Reuter.
Allein diese unvollständige Aufzählung der Veröffentlichungen
von Arnold Hückstädt verrät die Bandbreite seines
bisherigen Schaffens.
Arnold Hückstädt bin ich das erste Mal in meiner Schülerzeit
begegnet. Karl Scharnweber, von uns liebevoll „de oll
Festungskommandant“ genannt, unternahm mit seinen jungen
Historikern eine Reise von der Reuterstadt Dömitz in die
Reuterstadt Stavenhagen. Wir erlebten im Museum eine Führung
durch Arnold Hückstädt. - So muss man Führungen machen,
war mein bleibender Eindruck.
Die zweite Begegnung, hat mit Rudolf Tarnow zu tun. Seit
den 70-er Jahren des vorigen Jahrhunderts erschien im
Norddeutschen Leuchtturm, der Beilage der Norddeutschen
Zeitung, die Artikelreihe „Literarische Merk-Würdigkeiten“.
1979 hatte ich einen kleinen Beitrag über Rudolf Tarnow
geschrieben, musste dabei aber feststellen, dass es über
Tarnow kaum etwas in der Sekundärliteratur von
Mecklenburg und Vorpommern gab. So meldete ich mich im
Stadtarchiv Schwerin an mit der Bitte, die Tarnow-Akte
einzusehen, sofern es eine solche gibt. Es gab eine. Ich
fuhr hin, bekam eine umfangreiche Foto- und
Dokumenten-Sammlung vorgelegt und begann zu lesen. Kurt
Harland, der stellvertretende Archivdirektor, sagte mir,
dass genau eine Woche vorher Dr. Arnold Hückstädt aus
Stavenhagen auch diese Unterlagen eingesehen habe. Da
dachte ich mir, gegen Hückstädten kommst du nicht
gegenan. Da hab die Akte wieder zugemacht und mich fortan
mit Johannes Gillhoff beschäftigt.
So ist es unabgesprochen zu einer Arbeitsteilung gekommen:
Arnold Hückstädt veröffentlichte die erste Werkauswahl
Tarnows und ich die von Gillhoff in der DDR.
Arnold Hückstädt wurde am 27. Januar 1935 in Köstin im
heutigen Landkreis Uecker-Randow geboren. Er besuchte die
Schule in Glasow und bestand 1953 das Abitur in Torgelow.
Eigentlich wollte er Lehrer werden, studierte dann aber an
der Universität Greifswald Germanistik und Nordistik.
Welch ein Glück für uns, denn nach dem Studium mit
Diplomabschluss kam Arnold Hückstädt 1958 nach
Stavenhagen und wurde am 1. Oktober wissenschaftlicher
Mitarbeiter an der Reuter-Gedenkstätte im Rathaus. Er,
1959 zum Direktor ernannt, baute die Gedenkstätte zum
Fritz-Reuter-Literaturmuseum aus. Das Museum erlangte bald
nationale Bedeutung und strahlte als Forschungsstätte über
den deutschen Sprachraum hinaus.
Arnold Hückstädt tat aber mehr. Auf seine und Jürgen
Borcherts Initiative hin wurde 1989 in Güstrow der
Arbeitskreis Fritz Reuter im Kulturbund gegründet, der
sich 1990 in Fritz Reuter Gesellschaft Stavenhagen
umbenannte. Auf dem Treffen am 24. August 1990 auf der
Festung Dömitz aus Anlass des 150. Jahrestages von
Reuters Haftentlassung, wurde der Beschluss gefasst, dass
die Mitglieder der Reuter Gesellschaft Stavenhagen der
1960 in Lübeck gegründeten Reuter Gesellschaft
beitreten. Seit dieser Zeit gibt es eine Fritz Reuter
Gesellschaft. Arnold Hückstädt wurde in den
wissenschaftlichen Beirat berufen. Durch Rat und Tat
unterstützt er seitdem die Arbeit der größten
niederdeutschen Literaturgesellschaft und brillierte jedes
Mal bei seinen Vorträgen durch Inhalt, Aussage und
Rhetorik.
1976 promovierte Arnold Hückstädt an der Universität
Rostock mit einer Dissertation zur Reuter-Rezeption. Zum
Buch überarbeitet und erweitert, erschien diese Arbeit
1983 unter dem Titel „Fritz Reuter im Urteil der
Literaturkritik seiner Zeit“ als Nr. 16 in der
verdienstvollen Hinstorffschen Bökerie.
Für seine Verdienste um die Reuter-Forschung wurde Arnold
Hückstädt 1986 der Titel eines Museumsrates verliehen
und er wurde zweimal in Neubrandenburg mit dem
Fritz-Reuter-Preis, 1960 und 1974, beides waren
Reuter-Jahre, ausgezeichnet. Den
Fritz-Reuter-Literaturpreis der Stadt Stavenhagen und des
Fritz-Reuter-Literaturmuseum erhielt er im Jahre 2004.
Genau 33 Jahre, bis zum 1. Oktober 1991, lenkte und
leitete Arnold Hückstädt mit Geschick und Fachwissen das
Fritz-Reuter-Literaturmuseum, trug eine beachtliche
Ausstellung und Bibliothek zusammen und verfasste mehr
denn 100 Bücher und Aufsätze über den niederdeutschen
Klassiker. In Cornelia Nenz hat er eine würdige
Nachfolgerin gefunden, die sein Werk als Museumsleiterin
fortsetzt, die Ausstellung modernisierte, wobei das
Grundkonzept von Arnold Hückstädt aus dem Jahre 1974
beibehalten wurde.
Mit
Fug und Recht kann man sagen, Arnold Hückstädt ist heute
der Welt beste Reuter-Forscher und -Kenner.
Nun konnte er sein krönendes Lebenswerk nach mehr als
25-jähriger Arbeit zum Abschluss bringen: Die Fritz
Reuter Briefe, zusammengetragen, kommentiert und für die
Fritz Reuter Gesellschaft Neubrandenburg und das
Fritz-Reuter-Literaturmuseum Stavenhagen herausgegeben.
Der erste Band erschien rechtzeitig im Frühjahr zur diesjährigen
Jahrestagung der Fritz Reuter Gesellschaft, natürlich im
Rostocker Traditionshaus Hinstorff, denn schließlich ist
Reuter einst mit Hinstorff und Hinstorff mit Reuter groß
geworden. Der zweite Band kommt noch im Herbst des Jahres
heraus und der dritte Band wird im Reuter-Jahr 2010
erscheinen, wenn die Fritz Reuter Gesellschaft ihre
Jahrestagung in Stavenhagen abhält.
Die
drei Bände mit insgesamt etwa 2 500 Druckseiten
beinhalten alle bis heute bekannten Reuter Briefe, die
Arnold Hückstädt in öffentlichen und privaten
Sammlungen ausfindig machen konnte.
Die Edition ist aber mehr als nur eine
chronologische Aneinanderreihung von Briefen Fritz Reuters
über den Zeitraum von 1827 bis 1874. Mit der ihm eigenen
Akribie hat Arnold Hückstädt die Autografen kommentiert
und so eine Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts
geschaffen, die ihresgleichen nicht findet.
Deshalb ist es so verwunderlich nicht, dass für die
heutige Preisvergabe die besondere wissenschaftliche,
methodische und sprachästhetische Qualität des
umfangreichen Kommentars ausschlaggebend war. Gerade diese
Kommentierung „vermittelt sachlich, präzise und
kenntnisreich die notwendigen Informationen für das Verständnis
und die Einordnung der Reuter-Briefe als historische
Quelle und öffnet ganz subtil die Augen dafür, wie sich
in Reuters Briefen, in seinen Werken und seiner
Lebensgeschichte die Brüche und Widersprüche seiner Zeit
spiegeln. Dem Leser erschließt sich so ganz unmittelbar
ein farbiges, facettenreiches, lebendiges Bild des
Menschen Fritz Reuter, seines sozialen Umfeldes, der
politischen, kulturellen und gesellschaftlichen
Bedingungen seines Lebens und seiner literarischen
Leistungen“, wie es in der Begründung der Jury heißt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, als ich den ersten
Band von Reuters Briefen in Händen hielt, habe ich mich
sofort darin festgelesen. Ich weiß, dass es mir nicht
allein so ging. Nun warte ich voller Ungeduld und mit mir
viele Menschen in- und außerhalb Mecklenburgs auf die
Herausgabe der noch fehlenden Bände.
Lieber Arnold, Du hast für die Reuter-Forschung ein
Jahrhundert-Werk geschaffen. Dafür möchte ich Dir,
lieber Freund, im Namen der vielen, vielen Reuter-Freunde
im In- und Ausland von Herzen Dank sagen.
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