Sehr geehrter Herr Poland, sehr geehrter Herr Dr. Wieland,
sehr geehrter Herr Butzki, liebe Frau Prof. Bock, meine
Damen und Herren,
wenn die älteste Kulturstiftung unseres noch jungen
Bundeslandes zur 16. Verleihung ihres
Annalise-Wagner-Preises ruft, dann ist es vor allem die
gemeinsame Leidenschaft für Regional- und
Kulturgeschichte, die uns an diesem idyllischen Ort
zusammenführt. Aber was macht die Faszination aus, die
viele von uns bei der Beschäftigung mit der Vergangenheit
verspüren? - Wahrscheinlich ist es die Ahnung, dass, was
immer wir sind, wir geworden sind und was immer wir tun,
wir vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen und
Erinnerungen tun. Denn alles Gegenwärtige ist ohne das
Wissen von der Vergangenheit gar nicht verständlich.
Doch wie wird uns eigentlich bewusst, dass die Zeit
vergeht? Gewiss nicht, weil sich so etwas Abstraktes wie
eine Jahreszahl ändert. Viel eher sehen wir die Zeit
vergehen, weil sich der Raum um uns verändert: Hier wird
ein neues Haus gebaut, dort ein altes abgerissen. Hier
werden Bäume gefällt und dort ein neuer Park angelegt.
In diesem Sinne ist Kulturgeschichte immer eng verbunden
mit einer Kulturlandschaft. In ihr können wir den Wandel
der Zeit ganz persönlich und sinnlich erleben.
Die Kulturlandschaft Mecklenburgs und Vorpommerns ist im
hohen Maße von der landwirtschaftlichen Gutswirtschaft
bis 1945 geprägt. Und im Zentrum einer solchen
Gutswirtschaft stand das Herrenhaus, welches bis heute das
Bild und die Anlage vieler Dörfer in unserem Land prägt
- selbst dort, wo dieses herrschaftliche Wohnhaus
abgerissen wurde. Die Beschäftigung mit diesen Häusern führt
also zum Kern unserer regionalen Kulturgeschichte.
Vor diesem Hintergrund ist es nur verständlich, dass die
Jury Frau Prof. Bock für ihr Manuskript
„Herrschaftliche Wohnhäuser auf den Gütern und Domänen
in Mecklenburg-Strelitz“ mit dem Annalise-Wagner-Preis
ehrt. Ich hatte bereits die Möglichkeit, einige Blicke in
die erste Hälfte des 1000-seitigen Manuskriptes werfen zu
können. Und ich kann Ihnen versichern, der Einruck ist überwältigend:
Zu jedem Gutshaus – es sind insgesamt 208 in diesem Werk
dokumentiert – finden sich ausführliche Informationen
zur Geschichte, zur Lage, zur Baugeschichte, zum
Baubestand, zum Park und zur Hofanlage. Alle Beiträge
sind mit zahlreichen Fotografien dokumentiert, hinzu
kommen Kartenausschnitte, Grundrisse und Lagepläne. Das
dreibändige Werk wird voraussichtlich im Herbst
erscheinen - ich kann Ihnen die Lektüre nur wärmstens
ans Herz legen: Es animiert den Laien förmlich dazu,
einmal selbst auf Entdeckungstour durch unsere Dörfer zu
gehen und sich nach den alten Gutshäusern umzusehen. Aber
besonders für Fachleute, muss dieses Werk von unschätzbarem
Wert sein.
Die vorliegende Arbeit von Frau Prof. Bock und auch die
besondere Ehrung, die die Autorin heute erhält, verstehe
ich auch als offensichtliche Anzeichen dafür, dass in
unserem Land die Wertschätzung für diese Herrenhäuser
und die sie umgebende ländliche Kulturlandschaft zunimmt.
Dies ist auch dringend notwendig, denn die Zahl der
unsanierten und baufälligen Häuser ist noch immer hoch.
Dabei ist das fehlende Geld nicht unser größtes Problem.
Vor allem mangelt es an möglichen Nutzern mit guten Idee
und Konzepten. Selbst wenn wir ausreichend Geld zur Verfügung
hätten, um alle Objekte zu sanieren, wäre noch nicht
viel gewonnen: Dann hätten wir sanierte
Investitionsruinen, die ohne Eigenleben vor einem erneuten
schleichenden Verfall stehen würden. Es ist also unsere
große Aufgabe, nicht sterile Denkmäler entstehen zu
lassen, sondern den Gebäuden Gegenwart und Leben
einzuhauchen, um so ihren langfristigen Bestand zu
sichern. Ich bin überzeugt, dass es auch mit Hilfe dieses
beeindruckenden Kataloges zu den herrschaftlichen Häusern
in Mecklenburg-Strelitz gelingt, das eine oder andere
Objekt dem Vergessen zu entreißen.
Meine Damen und Herren,
Frau Prof. Bock habe ich in meiner Funktion als
Finanzministerin als eine fundierte Kennerin der
Architektur und Denkmalpflege kennen und schätzen
gelernt. Durch die Abteilung Bau und Liegenschaften, die
bis zur Regierungsneubildung im letzten Jahr zum
Finanzministerium gehörte, hatten wir ein gemeinsames Tätigkeitsfeld.
Aber auch an eine sehr konkrete Zusammenarbeit kann ich
mich gut erinnern: Im Gebäude des Finanzamtes Schwerin
konnten wir vor drei Jahren die Architekturausstellung
„Schinkel und seine Schüler“ ausrichten, an der Frau
Prof. Bock maßgeblich mitgearbeitet hat. Überhaupt genießt
die Wahl-Schwerinerin in der Landeshauptstadt einen
ausgezeichneten Ruf: Spätestens seit dem Erscheinen ihres
Standardwerks zur Schweriner Altstadt ist sie eine gern
befragte Expertin für alle baugeschichtlichen Fragen. Und
sie ergreift aktiv Partei: So lehnt sie es ab, ihre
beliebten baugeschichtlichen Vorträge weiterhin im
Lichthof des Gebäudes der Schweriner Industrie- und
Handelskammer durchzuführen, weil die IHK einen sehr
umstrittenen und teuren Büroneubau gegenüber dem
Schweriner Schloss durchführen will.
Liebe Frau Prof. Bock,
besonders berührt hat mich die Widmung Ihres Buches.
Erlauben Sie mir, diese zu zitieren: „Gewidmet all
denen, die mit den Gütern und Domänen ihre Heimat
verloren und denen, die nach dem Verlust ihrer Heimat dort
ein erstes Unterkommen fanden.“ Sie zeigen uns mit
diesen Worten, dass Gebäude mit einer Vergangenheit nicht
nur beliebige Häuser mit schönen Mauern, Fenstern oder Türen
sind. Sondern dass mit ihnen immer auch die Schicksale der
Menschen verbunden sind, die dort gelebt, geliebt und
gelitten haben. Dieses Wissen zeichnet ihre
wissenschaftliche Arbeit und ihr öffentliches Engagement
aus. Dafür sei Ihnen herzlich gedankt!
Frau Prof. Bock, ich gratuliere Ihnen zur Verleihung des
Annalise-Wagner-Preises!
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