Annalise-Wagner-Preisträgerin 2007


Prof. Dr. Ing. Sabine Bock: Dankwort

 

In den mehr als 15 Jahren, in denen ich über die Strelitzer Herren- und Domänenpächterhäuser gearbeitet habe, gab es viele wechselnde Stimmungen. Es gab Entdeckungen, die Euphorie auslösten, aber auch »Durststrecken«, in denen die Frage stand, warum ich mir dieses im Laufe der Jahre immer größer werdende Projekt vorgenommen habe. Ich hätte nicht durchgehalten, wenn ich die Freude und die Enttäuschungen nicht mit meinem Mann, Thomas Helms, hätte teilen können und ich hätte das Manuskript, das nur mit der reichhaltigen Illustration denkbar ist, nicht ohne sein fotografisches Engagement und seine permanente Bereitschaft zur Diskussion fertig stellen können. Denn viele der Ergebnisse zur Baugeschichte der einzelnen Häuser ist zugleich Ergebnis mehrfacher Besuche und langer Auseinandersetzungen um einzelne Indizien oder Spuren. So etwas kann man – kann ich –nicht allein am Schreibtisch erarbeiten, dazu bedarf es eines mitdenkenden Partners und deshalb danke ich ihm an erster Stelle und freue mich über die Gelegenheit, dies einmal öffentlich tun zu können.

Bevor ich versuchen will, den unendlich vielen Unterstützern meines Vorhabens einen angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit zumindest knappen Dank auszusprechen, interessiert es Sie vielleicht, wie es überhaupt dazu kam, dass die Arbeit über die »Herrschaftlichen Wohnhäuser auf den Gütern und Domänen in Mecklenburg-Strelitz« entstand. Vor 15 Jahren haben mein Mann und ich – auf Anregung eines Verlages – ein Buch über die Schlösser und Herrenhäuser auf der Insel Rügen erarbeitet und waren mit dem Ergebnis nicht ganz zufrieden, hatte sich doch der Verlag einen Touristenführer erhofft und wir an ein Denkmalinventar gedacht. Es stellte sich aber zu unserer Beruhigung schnell heraus, dass das Büchlein einer Reihe von Herrenhäusern Aufmerksamkeit, in einigen Fällen auch neue Besitzer und damit die Instandsetzung brachte; dennoch wuchs der Wunsch, für eine Region in Mecklenburg oder Vorpommern eine umfangreiche Inventarisation dieser für unsere Kulturlandschaften so wichtigen Bauten zu erstellen. Es sollte auf jeden Fall eine historisch abgeschlossene Region sein und so fiel die Wahl sehr schnell auf Mecklenburg-Strelitz. Und auch wenn sich die Arbeit in dem zunächst als »überschaubar« angenommenen Territorium als wesentlich umfangreicher als gedacht erwies, war es doch ein nahezu perfektes Untersuchungsgebiet, gab es hier doch alle historisch relevanten Arten von Gütern: Rittergüter, Domanialgüter, Stadtgüter und sogar ein Kirchengut. Es umfasst mit den historischen Gebieten des Landes Stargard und des Fürstentums Ratzeburg zwei in ihrer Entwicklung sehr unterschiedliche Bereiche, die außerdem in ihrer Vielfalt bereichert werden durch die 1811 an Strelitz gefallene preußische Exklave Krumbeck, durch die erst 1934 an das Land Schleswig-Holstein gefallenen Exklave Alt-Horst und durch die im Zuge des so genannten Barber-Ljaschtschenko-Abkommens, das im November 1945 eine Grenzbereinigung zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg regelte, zur späteren Bundesrepublik gelangten Strelitzer Domänen, während alle anderen Güter ab 1949 zur DDR gehörten.

Im Laufe der Zeit wurde immer offensichtlicher, dass ich mit Mecklenburg-Strelitz ein Untersuchungsgebiet gewählt hatte, das für die Beschäftigung mit dem Bautyp des ostelbischen Herrenhauses als überdurchschnittlich repräsentativ angesehen werden kann und so wurde aus der geplanten Einleitung zur Bautypologie des Strelitzer Herrenhauses ein eigenständiges Projekt zum ostelbischen Herrenhaus und der hier vorgelegte und von der Annalise-Wagner-Stiftung als preiswürdig erachtete Katalog zur Architektur und Geschichte der »Herrschaftlichen Wohnhäuser auf den Gütern und Domänen in Mecklenburg-Strelitz« eine in sich geschlossene Arbeit.

Dass der Katalog einen »Berg von Fakten« umfasst, wie es in der Begründung der Jury heißt, ist nur im geringeren Maße den archivalisch überlieferten Quellen zu danken. Durch die Auflösung des Strelitzer Landesarchives im Jahr 1934 und das teilweise nicht nachvollziehbare Abhandenkommen der nach Schwerin überführten Bestände, sowie durch den Verlust fast aller Gutsarchive im Jahr 1945 war die traditionelle Grundlage für ein historisches Forschungsprojekt zunächst nicht gegeben, obwohl sich im Laufe der Jahre doch vor allem im Landeshauptarchiv Schwerin beträchtlich mehr Dokumente zum Thema erschließen ließen als das angesichts der Ausgangssituation zu erwarten war. Es mussten also andere Wege gefunden werden, an Informationen über die Geschichte der zu untersuchenden Häuser zu gelangen. Zwei Beispiele aus der Anfangsphase der Erfassung sollen erzählt werden:

Nachdem auf der Grundlage historischer Karten und Güterverzeichnisse die Liste der Objekte erstellt war, gab es schon anlässlich der ersten Bereisung zwei wichtige Informationen. So besaß der Betreiber einer Gaststätte, das sich in einem Teil eines Herrenhauses befand, eine Ortschronik, in der sich auch die Adresse eines Sohnes des letzten Gutsbesitzers fand. Ein Brief an ihn brachte ebenso schnell Ergebnisse wie der an den neuen und zugleich alten Eigentümer eines anderen Gutes, dessen Adresse sich auf einem Abfallhaufen im Gutsareal fand … Aber auch die ABM-Kräfte, die mit Aufräumarbeiten an einer Gutswüstung beschäftigt waren und uns nicht nur die Geschichte des Verfalls der Bauten erzählten, sondern am nächsten Tag alle greifbaren Fotoalben aus ihrer Umgebung mitbrachten und uns so zu Abbildungen des verlorenen Herrenhause verhalfen, gehören zu der Vielzahl von Menschen, die im Laufe der Jahre das Projekt unterstützt haben.

Ich habe die Briefe und Telefonate nicht gezählt, die ich in Sachen Strelitzer Herren- und Domänenpächterhäuser geschrieben und geführt habe, aber es werden viele Hundert gewesen sein und mit einer Ausnahme wurden alle freundlich und gewinnbringend, also informativ, beantwortet, oft erfuhr ich nicht nur Fakten zum angefragten Gut, sondern erhielt auch Hinweise auf andere Personen, die noch etwas wissen könnten. Und manchmal waren sich die Angeschriebenen gar nicht bewusst, über welche »Schätze« sie verfügten: So teilte mir einer der Angefragten mit, dass er leider nichts zum Haus wisse und »nur« ein Fotoalbum mit Innenaufnahmen besäße, die der Großvater vor dem Verkauf des Hauses 1923 habe anfertigen lassen … Angesichts der Tatsache, dass sich keines der Strelitzer Herrenhäuser mit seiner historischen Ausstattung erhalten hat, war es natürlich ein absoluter Glücksmoment, als wir in Hannover das Album sehen konnten und mein Mann die Aufnahmen reproduzieren durfte. Überhaupt waren wir in den 15 Jahren nicht nur sehr oft in Strelitz, sondern haben auf der Spur der Güter und Domänen auch viele andere Gegenden in Deutschland besucht, denn verständlicherweise mochten sich die meisten Inhaber auch nicht zeitweise von ihren Erinnerungsstücken trennen, waren es doch oft die letzten Dinge, die ihnen von jahrhundertelanger Verbundenheit mit einem Ort geblieben waren. Dass sich nicht nur Fotoalben, Briefe und Schriftstücke fanden, sondern beispielsweise auch ein Gemälde von Maria Hager, das sie als Weihnachtsgeschenk für einen Domänenpächter von dessen Pächterhaus gemalt hat, das aber wegen des übergroß im Vordergrund dargestellten Misthaufens nicht die erhoffte Freude einbrachte, war für uns einer der Höhepunkt dieser Besuche. Herzlicher Dank gilt also an dieser Stelle all denen, die durch ihre Geschichte bis 1945 mit den Gütern und Domänen in Mecklenburg-Strelitz verbunden waren und uns an ihre Erinnerungen teilhaben ließen.

Da aber die Geschichte des Baubestandes der untersuchten Häuser nicht mit ihrer Enteignung endete, waren die Begegnungen mit jenen, die ab 1945 in den verschiedenen Häusern ein zunächst meist provisorisches und notdürftiges Unterkommen fanden, ebenso wichtig für die Untersuchung. So bekamen wir immer wieder Zeitzeugenberichte über die schlimme Zeit ab dem Winter 1945, die oft nahtlos an die Flucht oder Vertreibung der alten Eigentümer anschloss. Besonders tragisch war die Erzählung einer Frau, die bei Ankunft ihres Flüchtlingstrecks in einem Strelitzer Herrenhaus die erschossene Gutsbesitzerfamilie fand. Aber auch die Schilderungen des alltäglichen Lebens in den Häusern barg viel Tragik in sich und dass uns eine Frau in den Grundriss des Herrenhauses, in dem sie mit ihrer Familie zunächst untergekommen war, einzeichnen konnte, wie viele Menschen in jedem Raum auf engstem Raum zusammenleben mussten, illustriert mit den wenigen überlieferten Fotografien jener Zeit die in den Archiven überlieferten Berichte. Mein Dank gilt also auch allen, die mir aus ihrem Leben erzählt haben, nachdem sie ihre Heimat verloren hatten und auf einem Strelitzer Gut gestrandet waren.

Danken möchte ich auch denen, die sich seit 1990 um den Erhalt der Herrenhäuser kümmern, ein Unterfangen, das angesichts der immer größer werdenden Kluft zwischen staatlicher Denkmalschutzgesetzgebung und tatsächlichem Einsatz des Staates für die Erhaltung der Denkmale – sei es mit Know How und/oder finanzieller Unterstützung – immer schwieriger wird und an dem auch einige scheiterten, die aber dennoch vielfach das von ihnen gesammelte Material zur Verfügung stellten und auch Kontakte zu früheren Bewohnern und Besitzern der Häuser vermittelten. Das in einem Rechtsanwaltsbrief, der uns in dieser Zeit einmal erreichte, kein unangenehmes Schreiben, sondern ein Hotelgutschein lag, um unsere Arbeit vor Ort zu erleichtern, war wie die vielen Tassen Tee und Kaffee, die uns in Gesprächen angeboten wurden, eine sehr nette Geste, die das Arbeiten auch menschlich bereicherte und inzwischen vielfach zu freundschaftlichen Beziehungen geführt hat, die hoffentlich auch in der Zukunft bestehen bleiben werden.

Danken möchte ich nicht zuletzt auch den vielen Kollegen, die mich durch ihr Interesse an meinem Vorhaben unterstützten oder die mir – wie zum Beispiel beim Lesen historischer Quellen – ganz praktisch halfen. Notwendig war dieser kollegiale Austauch vor allem dann, wenn es um die Deutung von Begriffen in den historischen Hausbeschreibungen ging, so hatten wir relativ schnell das Wort »Ahlstrack« als niederdeutsche Form von Estrich gedeutet, wesentlich länger brauchten wir, um herauszufinden, dass man damit aber in Lehm verlegte Ziegelsteine meinte …

In vielen Archiven, Museen und anderen öffentlichen Einrichtungen wurde das Vorhaben zunehmend wohlwollend beobachtet, allerdings überstiegen die zu entrichtenden Gebühren für Foto- und Kopieraufträge oft das von »unbeauftragten« Forschern zu Leistende und werden auf Dauer Heimatforschung, wie sie Annalise Wagner im Sinn hatte und wie sie auch durch die ihr gewidmete Stiftung gefördert werden soll, weiter erschweren. Neben dem Dank darf ich mir an dieser Stelle wünschen, dass das Land einen Weg findet, entsprechende Arbeiten in ihren Gebührenordnungen mit mehr Wohlwollen zu unterstützen.

Keinen Dank kann ich bisher für Hilfe bei der Drucklegung des Manuskriptes abstatten, alle bisher unternommen Versuche blieben unbeantwortet, endeten in Vorzimmern oder scheiterten mangels überregionalem Interesse am gewählten Thema. Sollte sich da nicht noch eine Möglichkeit eröffnen, wird es wohl leider den meisten der von der Jury angesprochenen Zielgruppen nicht möglich sein, das Buch zu erwerben, denn die Druck- und Bindkosten werden bei der zu erwartenden kleinen Auflage sehr hoch sein und der nur darauf basierende Buchpreis auch durch das heutige Preisgeld nur unwesentlich gemindert …

Und damit habe ich mir selbst das Stichwort für den abschließend auszusprechenden Dank geliefert, denn ganz herzlich möchte ich mich bei der Annalise-Wagner-Stiftung für die Verleihung des Preises und diesen schönen Nachmittag der Preisverleihung bedanken. Es ist für mich wie der Schluss eines Kreises, denn als ich das erste Mal im Karbe-Wagner-Archiv in Neustrelitz war, lag eine Information über den neu gestifteten Preis aus, dass ich ihn nun nach 16 Jahren selbst verliehen bekommen habe, ist mir eine große Freude! Eine große Freude war es auch, dass die Stiftung Frau Ministerin Sigrid Keler als Laudatorin gewinnen konnte, von der ich seit vielen Jahren um ihr Interesse an historischer Architektur weiß und die sich immer nach dem Fortgang der Arbeit erkundigte.

Es bleibt für mich zu hoffen, dass diese Arbeit die eingangs angesprochen Lücken in der Strelitzer Überlieferung etwas verkleinert und dass sie vor allem hilft, das Interesse an regionaler Architektur und Landesgeschichte wach zu erhalten.

Sabine Bock
16. Juni 2007



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